Ziel der Untersuchungen war es, die Wirkung der Proteinase Calpain (EC 3.4.22.17) in Zellen besser zu verstehen. Den medizinischen Hintergrund bilden dabei beschriebene Zellschädigungen bei vermuteten Disregulationen und speziell ein möglicher Zusammenhang von Calpain und Cataracten der Augenlinse (siehe S. 4). Calpain (m-Calpain), Calpastatin und Proteasomen wurden dazu aus Rinderherz isoliert. Boc-Leu-Met-7-Amino-4-Methylcumarin (Boc-Leu-Met-AMC), ein geeignetes Peptidsubstrat, wurde synthetisiert und es wurden für die immuncytochemische Untersuchung monoklonale und polyklonale anti-m-Calpain-Antiseren gewonnen. Das aus Rinderherz isolierte m-Calpain wurde charakterisiert. Es war ohne Calciumionen nicht aktiv und voll aktiv ab ca. 1mM Ca2+. Weiterhin benötigte es für die enzymatische Aktivität SH-Gruppen-reduzierendes Thiol (Mercaptoethanol). Mit Calpaininhibitoren wurde es inhibiert. In der SDS-Elektrophorese konnte m-Calpain in zwei Untereinheiten von ca. 30kD und 80kD getrennt werden und war im Zymogramm nach Ca2+-Zufuhr aktiv. Es wurde im Westernblot dargestellt. Vergleichende Untersuchungen mit Proteasomen in vitro ergaben, daß diese Proteasen Boc-Leu-Met-AMC im Gegensatz zu m-Calpain zwischen 0mM und 5mM Ca2+ unabhängig von der Calciumkonzentration hydrolysierten. Dies war für die folgenden in vivo-Untersuchungen sehr wichtig, da in Linsenepithelzellen das Peptidsubstrat sehr wohl calciumabhängig hydrolysiert wurde und somit der Einfluß von Proteasomen vernachlässigt werden konnte. Die ultramikroskopische Darstellung von m-Calpain im Rasterkraftmikroskop brachte eine übereinstimmung mit einem Molekülmodell von MURACHI (26). Es waren deutlich Abschnitte oder Domänen zu erkennen. Unter geeigneten Bedingungen organisierte sich m-Calpain auf der Oberfläche der Siliciumobjektträger zu fädigen Strukturen. In Augenlinsen finden Yoshida et al. m-Calpain (180). Somit ist es uns möglich, Befunde aus unseren Versuchen mit m-Calpain aus Herzhomogenat mit denen von Linsenepithelzellen zu vergleichen. Das Calpain-Antigen aus homogenisierten und fraktionierten Linsenepithelzellen hatte im Westernblot ein vergleichbar niedriges Molekulargewicht von weniger als 70kD. Ein ähnlich leichtes Molekül wurde auch im Westernblot von Herzhomogenat neben der 80K- und 30K-Untereinheit des Calpain nachgewiesen. In Linsenepithelzellen wurden die eingesetzten Peptidsubstrate unterschiedlich hydrolysiert: Boc-geschützte Peptide wurden spontan und hinreichend für den quantitativen Nachweis mit Hilfe der HPLC hydrolysiert. Succinylierte Derivate wurden dagegen nicht nachweisbar umgesetzt, sie sind offensichtlich nicht membranpermeabel. Daraus konnte das Fehlen einer Ektoproteasewirkung durch Calpain geschlußfolgert werden. Calpain-Inhibitoren hemmten vergleichbar zu in vitro-Versuchen, mit der Ausnahme von E-64, welches offensichtlich nicht membranpermeabel ist. Damit ergab sich ein weiterer Hinweis auf das Fehlen einer Ektoprotease mit Calpainwirkung. Eine wichtige Voraussetzung für die Untersuchungen mit unterschiedlichen Calciumkonzentrationen in Linsenepithelzellen war der Nachweis, daß deren Calciumhaushalt gezielt mit dem Ionophor Ionomycin beeinflußt werden konnte. Es wurde gezeigt, daß der Umsatz von Boc-Leu-Met-AMC calciumabhängig war. Allerdings war er bei niedrigen Calciumkonzentrationen im Cytosol hoch und wurde bei 2mM Ca2+ inhibiert ! Diese Tatsache führte zu dem Schluß, das wir es hier auch mit einer noch nicht beschriebenen, durch Ca2+ hemmbaren Protease zu tun haben könnten. Alle folgenden Versuche orientierten aber weiter auf Calpain. Der immuncytochemische Nachweis erbrachte keine diffuse Verteilung von Calpain. Es wurden fädige Strukturen gefunden, die beim Vergleich mit dem Cytoskelett übereinstimmungen brachten. Auch immunologisch wurde nach-gewiesen, daß kein Calpain auf der Oberfläche von Linsenepithelzellen existierte. Nach dem Versuch, Calpain aus Linsenepithelzellen mit Triton-X-100 in Hepes-Puffer zu extrahieren, war keine Veränderung der Antigenität gegen Calpain festzustellen. Dies deutete auf eine Verankerung des Enzyms in der Zelle bzw. auf die Unfähigkeit des Detergenz, es zu lösen hin. Linsenepithelzellen wurden bei hoher mikroskopischer Auflösung mit den Peptidsubstraten Boc-Leu-Met-AMC oder Boc-Leu-Met-CAMC inkubiert. Dabei wurde keine diffuse, sondern eine strukturierte Fluoreszenz gefunden. Kerne erschienen dunkel, wurden von einem sehr hellen Saum umgeben. Die Fluoreszenz wurde als Reihen von Punkten und unterbrochenen Linien sichtbar. Das Ergebnis war vergleichbar mit denen von immuncytochemischen Untersuchungen, wo ebenfalls eine diffuse Fluoreszenz erwartet und Filamentgebilde gefunden wurden. Es ergaben sich ähnlichkeiten der Bilder, jedoch keine Identität zwischen der Darstellung des Calpain-Antigens und den Orten proteolytischer Aktivität. Sofern diese Aktivität von Calpain ausgeht, kann man annehmen, daß die Gesamtkonzentration des Enzymproteins von der Konzentration an aktivem Enzym abweicht. Es wurde gezeigt, daß derzeitige Vorstellungen über Lokalisation und Aktivierung von Calpain möglicherweise überprüft werden müssen. Dabei ist die Tatsache einer Hemmung der Proteolyse bei hoher Calciumionenkonzentration in der Zelle besonders interessant. Bisher wurde von einer Aktivierung des Calpain bei einer Erhöhung der cytosolischen Calciumionenkonzentration ausgegangen. überein-stimmungen der immuncytochemischen Darstellung von Calpain mit dem Cytoskelett legen nahe, daß Calpain einen Haftmechanismus besitzen muß, der es dem Enzym gestattet, sich am Cytoskelett zu verankern. Auf der einen Seite werden in neueren Arbeiten Cytoskelettelemente als Calciumstores beschrieben, was gleichbedeutend mit einer inhomogenen Verteilung von Calcium im Cytosol ist, und auf der anderen Seite sind vermutlich die im Molekül vorhandenen EF-hand-Strukturen als Anker anzusehen. Sie verfügen über eine hohe Bindungsaffinität zu Ca2+ und sind in einer Vielzahl untersuchter calciumbindender Proteine enthalten. Die dominierende negative Ladung der EF-hands in beiden Calpainuntereinheiten CL und CS dokumentiert sich auch in den Bindungseigenschaften und im Elutionsverhalten an DEAE-Ionenaustauscher. Es ist ein Hinweis auf vergleichbare isoelektrische Eigenschaften. Methodisch gestattet uns die Verwendung von diffusiblen fluorogenen Peptidsubstraten mit gleichfalls diffusiblem Fluorophor sehr einfach, den hydrolytischen Umsatz der Zellen mit Hilfe einer HPLC reproduzierbar zu quantifizieren. Weiterhin wurden erfolgreich bei hoher lichtmikroskopischer Auflösung in lebenden Zellen Orte proteolytischer Aktivität nachgewiesen. Hier ergeben sich Möglichkeiten, weitere Untersuchungen anzuschließen, welche die Inhibition der Proteolyse bei hoher Ca2+-Konzentration und entgegengesetzt eine mögliche Aktivierung von Calpain betreffen, und die einen Einfluß der Protease auf das Cytoskelett beinhalten. Besonders interessant sind meiner Meinung nach Fragestellungen, die sich auf den Zusammenhang von Calpainaktivität und cytosolisch niedriger Ca2+-Konzentration beziehen. Außerdem ist sehr interessant, warum ein offensichtlich aktives Calpain, welches spontan Peptidsubstrate hydrolysiert, nicht konsequent seine endogenen Substrate, z.B. Teile des Cytoskelettes minimiert. Weiterhin gestaltet sich die Differenzierung zwischen Calpain und Aktivitäten anderer Proteasen im Cytosol recht schwierig, wie unsere Ihibitionsversuche (Calpain und Proteasomen) gezeigt haben. Zahlreiche in der Literatur beschriebene Wirkungen des Calpain sind wahrscheinlich nicht ausschließlich auf diese Protease zurückzuführen.
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