Lippen-Kiefer-Gaumenspalten entstehen nach dem multifaktoriellen Schwellenmodell durch den Einfluss exogener und endogener Faktoren. Anhand von 966 Patienten der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Universität Halle-Wittenberg wurde die saisonale Abhängigkeit dieser Fehlbildungen untersucht. Nur die Konzeptionstermine weiblicher Patienten mit Spalten vom Typ I lagen signifikant häufiger im Frühjahr, Sommer, Herbst und seltener im Winter. Mögliche ursächliche, zum Zeitpunkt der wahrscheinlichen Schädigung (kritische Entwicklungsphase) der LK wirksame Faktoren könnten Vitaminmangel (Folsäure), der Gebrauch von Düngemitteln und Pestiziden in der Landwirtschaft, eine Diät der Mutter und das um diese Zeit sehr intensive UV-Licht sein. Der fehlende Nachweis einer jahreszeitlichen Häufung der Typ-III-Spalten ist möglicherweise durch einen starken genetischen Einfluss erklärbar, der kaum von exogenen Faktoren modifiziert wird. Die nicht nachweisbare saisonale Abhängigkeit der Spalten des sekundären Gaumens kann bedingt sein durch unterschiedliche Sensibilität der Spalten des primären und sekundären Gaumens gegenüber einzelnen exogenen Kräften, ätiologische Heterogenität der zwei Spaltbildungen und Unterpräsenz gerade der leichten Formen der Gaumenspalten, die bei den Spalten des primären Gaumens für die saisonale Abhängigkeit verantwortlich sind, in chirurgischen Akten. Die aufgedeckte saisonale Abhängigkeit steht in Übereinstimmung mit der Mehrzahl der Untersuchungsergebnisse weltweit, die ebenfalls eine saisonale Abhängigkeit der Spalten des primären Gaumens befürworten und eine saisonale Abhängigkeit der Spalten des sekundären Gaumens abgelehnen. Die gefundene Geschlechtsspezifität widerspricht Frasers Vorhersage zum multifaktoriellen Schwellenmodell, wonach epidemiologische Variationen häufiger beim dem Geschlecht zu beobachten sind, bei dem die Fehlbildung bevorzugt auftritt. Diese Aussage konnte anhand statistischer Berechnungen widerlegt werden. Die enorme Vielzahl der weltweit gefundenen Schädigungszeitpunkte erklärt sich durch ein weites Spektrum exogener, regional variierender, kausaler Faktoren, die zudem auf eine unterschiedliche genetische Basis treffen. |