Während der Samenentwicklung akkumulieren Pflanzensamen Speicherproteine als Aminosäurereserven für die heterotrophe Entwicklungsphase während der Keimung und des Keimlingswachstums. Die Speicherproteine werden in speziellen membranumhüllten Organellen, den Protein Bodies deponiert, die zum vakuolären Kompartiment gehören. In diesem extracytoplasmatischen Kompartiment unterliegen sie während der Samenentwicklung keinem Abbau. Erst mit der Keimung wird der Schutz gegen vorzeitigen unkontrollierten Abbau überwunden, und die Mobilisierung von Aminosäuren durch den Abbau der Speicherproteine beginnt. Die Hauptspeicherproteine der Leguminosensamen, 7S- (Viciline) und 11S- (Legumine) Globuline, sind sowohl in den Embryoachsen als auch den Kotyledonen nachzuweisen. Während in den Kotyledonen beide Proteine in etwa gleichen Mengen enthalten sind, ist in der Embryoachse Vicilin vorherrschend. Unmittelbar mit Beginn der Samenwässerung werden die Speicherglobuline in den Protein Bodies der Embryoachse und den Kotyledonen mobilisiert. Dies macht die Embryoachse zu diesem frühen Zeitpunkt der Keimung unabhängig von den Kotyledonen in der Bereitstellung von Aminosäureverbindungen für die beginnenden Proteinbiosynthesen. Nach Abschluss der Keimung, zu Beginn des frühen Keimlingswachstums, sind die endogenen Reserven der Embryoachse aufgebraucht und die Aminosäureversorgung der Achse wird von den Kotyledonen übernommen wo massiver Abbau der Globulinreserven eingesetzt hat. Der Beginn dieses massiven Speicherglobulinabbaus verläuft synchron mit der vollständigen Differenzierung funktionsfähiger Leitgewebe zwischen Achse und Kotyledonen, was einen Ferntransport von Aminosäuren, speziell Asparagin, erst ermöglicht. Die Protein Bodies von Embryoachsen und Kotyledonen reifer Wickensamen verfügen neben den Speicherglobulinen über gespeicherte papain- (CPR1, CPR2, CPR4) und legumain-artige (VsPB2) Cysteinproteinasen (CPR). Daneben haben Embryoachsen und Kotyledonen dieser Samen auch die entsprechenden spezifischen mRNA´s, welche wie die Proteinpolypeptide bereits während der Samenreifung gebildet werden. Mit Keimungsbeginn katalysieren diese gespeicherten CPR die rasche Mobilisierung der Speicherproteine. Der Abbau der Globuline findet trotz gehemmter Proteinbiosynthese statt, wodurch eine de novo Synthese von CPR für den Beginn der Proteinmobilisierung zu Keimungsbeginn nicht erforderlich ist. Der Proteinabbau kann aber durch CPR-spezifische Inhibitoren unterbunden werden, was die Funktion gespeicherter CPR zu Beginn des Speicherproteinabbaus bestätigt. Im Verlauf der Keimung und des Keimlingswachstums werden die gespeicherten proteolytischen Enzyme, vor allem mit zunehmender Mobilisierung der Speicherglobuline, durch de novo synthetisierte CPR ergänzt als auch durch andere CPR ersetzt. Vor allem während des Keimlingswachstums ändert sich das Muster der am Abbau beteiligten CPR. Die legumain-artige VsPB2 wird durch Proteinase B ersetzt. CPR1 und CPR2 werden vor allem in den Kotyledonen mit Beginn des massiven Globulinabbaus verstärkt synthetisiert. Nach Mobilisierung der endogenen Proteinreserven in der Embryoachse werden die gespeicherten und neu synthetisierten CPR-Polypeptide ebenfalls abgebaut. Somit sind zu allen untersuchten Zeitpunkten der Keimung und des Keimlingswachstums mehrere Vertreter aus zwei verschiedenen Cysteinproteinasefamilien an der Mobilisierung der Speicherproteine beteiligt. Ihre Beteiligung unterliegt einem entwicklungs- und gewebeabhängigen Wechsel, der vor allem darauf beruht, dass gespeicherte CPR verschwinden und andere neu gebildet werden. Die Kontrolle über die wechselnde Genexpression und das CPR-Muster erfolgt vorrangig über die Verfügbarkeit entsprechender mRNA für die Translation. In diesem Zusammenhang kann eine Beteiligung des CPR-Abbaus jedoch nicht ausgeschlossen werden.
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