Die Entwicklung der sogenannten "niederen Chirurgie" zu einer wissenschaftlichen Disziplin als eigenständiges Fach im universitären Unterricht in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts am Beispiel der Stadt Halle an der Saale steht im Mittelpunkt der vorliegenden Studie. Die Chirurgie begab sich im 18. Jahrhundert auf den Emanzipationsweg, wenngleich sich an der Trennung zwischen Medizin und Chirurgie zunächst nichts änderte. Es begann die schrittweise Loslösung des Faches aus der kontrollierten Umklammerung durch die akademische Medizin, welche die Chirurgie am Anfang des 18. Jahrhunderts noch als zweitrangiges Heilgebiet auffaßte und kontrollierte. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts wurde die Trennung zwischen "niederer" Chirurgie und akademischer (innerer) Medizin zunehmend als Mißstand empfunden. Dies fand Ausdruck in vielen Medizinalordnungen vornehmlich in der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts, die sich besonders auf eine Ausbildungsverbesserung der Chirurgen richteten. Es entstanden besondere Schulen für angehende Chirurgen. Den Schwerpunkt der Arbeit bildet die Darstellung des Heilberufsstandes der sogenannten "niederen Chirurgie", der handwerklich in Zünften organisierten Heilberufe wie der des Baders oder Wundarztes, ihrer Berufsausübung, ihres Kenntnisstandes als auch ihrer Ausbildung. Die Gliederung der Arbeit umfasst fünf Kapitel, beginnend mit der Darstellung des Standes der "niederen Chirurgie" in handwerklicher, medizinischer als auch sozialer Sicht unter besonderer Berücksichtigung der damaligen Gesundheitspolitik in Preußen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das von Reil verfasste im Jahre 1804 in Halle verlegte Buch mit dem Titel : "Pepinieren zum Unterricht ärztlicher Routeniers als Bedürfnisse des Staates nach seiner Lage wie sie ist" widmet sich der allgemeinen medizinischen Versorgung der Bevölkerung. Um einen Einblick in die alltägliche chirurgische Praxis zu gewinnen, wird in einem kurzen Abriß als Beispiel das von W.D.Bräutigam verfasste und 1850 in Weimar veröffentlichte Werk "Practisches Hand- und Hülfsbüchlein der niederen Chirurgie für Lehrlinge und Gehülfen" vorgestellt. Da die handwerklich orientierten Chirurgen auch in Halle an Hochschulvorlesungen teilgenommen hatten, wird für diese Zeitepoche die medizinische Fakultät der Universität beschrieben. |