Titelaufnahme

Titel
Die diagnostische und prognostische Relevanz von Angststörungen bei stationär behandelten depressiven Patienten / von Peter Gerhard Brieger
VerfasserBrieger, Peter
Erschienen2003 ; Halle, Saale : Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt
Ausgabe
Elektronische Ressource
UmfangOnline-Ressource, Text Image
HochschulschriftHalle, Univ., Habilschr., 2003
SpracheDeutsch
DokumenttypE-Book
SchlagwörterElektronische Publikation / Hochschulschrift
URNurn:nbn:de:gbv:3-000004852 
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Die diagnostische und prognostische Relevanz von Angststörungen bei stationär behandelten depressiven Patienten [0.89 mb]
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Zielsetzung: Bis heute existieren unterschiedliche Herangehensweisen, Angstsymptome und -syndrome bei depressiven Störungen zu klassifizieren. Die "klassische" Psychiatrie hat lange Zeit Angstsymptome als zur Depression gehörig angesehen und ihnen keine weitere Eigenständigkeit zugebilligt, während es andererseits Überlegungen gibt, das gleichzeitige Auftreten von Angststörungen und Depressionen als eine eigenständige Störung "Cothymia" zu bezeichnen. DSM-IV und ICD-10 nehmen einen Mittelweg ein, indem sie - im Sinne der Komorbiditätskonzeption - Angststörung und Depression jeweils deskriptiv feststellen, ohne auf den Zusammenhang weiter einzugehen. Die vorgelegte Untersuchung will prüfen, welche diagnostischen und prognostischen Aspekte solche Sichtweisen stützen. Methoden: Eine Kohorte von 117 Patienten mit unipolarer Depression, die stationär behandelt wurden, wurde dahingehend unterteilt, ob aktuell eine komorbide Angststörung vorlag oder nicht. Die Patienten wurden während der aktuellen Episode beobachtet, wobei Angst, Depression, globales Funktionsniveau und Affektprofile prospektiv erfasst wurden. Mittels entsprechender Interviews sowie unter Zuhilfenahme von Vorbefunden wurde die Krankheitsgeschichte erhoben. Die Querschnittsdiagnostik beinhaltete Diagnostik gemäß DSM-IV sowie die Erfassung verschiedener Aspekte der Persönlichkeit, der Lebensqualität und anderer psychologischer und psychopathologischer Konstrukte, die für das Verständnis von Angststörungen und Depressionen relevant sind. Auch erfolgte ein Vergleich der klinisch gestellten Diagnosen mit Forschungsdiagnosen. Wesentliche Ergebnisse: 36 Patienten (30.8%) litten komorbide an einer Angststörung. Im kurzfristigen Episodenverlauf unterschieden sich Patienten mit und ohne Angststörungen hinsichtlich depressiver Symptomatik, globalem Funktionsniveau, Behandlungsdauer und Therapieformen nicht. Tendenziell litten aber depressive Patienten mit Angststörungen gehäuft an Substanzmissbrauch, sie wiesen mehr Suizidgedanken, mehr frühere Krankheitsepisoden und geringere Lebensqualität auf als "rein" depressive Patienten. Auch war in der Vorgeschichte ein Verlaufsmuster mit wiederholten Episoden mit Angstsyndromen zu erkennen, ohne dass dieses Muster als stabil anzusehen wäre. Die Persönlichkeit der Patienten mit Angst und Depression war dahingehend auffälliger, dass mehr Neurotizismus und Selbstunsicherheit festgestellt wurde. Klinisch wurden Angststörung (gemäß dem SKID-I Interview) in der Mehrzahl der Fälle nicht als eigene Diagnose gestellt. Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse stützen weder, dass Angststörungen sekundäre Erscheinungen von Depression sind, noch scheint eine eigene "Krankheitsentität Cothymia" (=Depression plus Angst) gerechtfertigt. Vielmehr lassen sich die Resultate dahingehend interpretieren, dass eine individuelle Prädisposition besteht, Angstsymptome und -syndrome zu entwickeln, so dass sich dann daraus ein quasi "cothymisches Verlaufsmuster" entwickelt, wenn depressive Episoden dazukommen. Dieses Verlaufsmuster scheint einige negative prognostische Aspekte aufzuweisen - mehr Substanzmissbrauch, größere Suizidalität, geringere Lebensqualität und mehr Krankheitsepisoden.

Zusammenfassung (Englisch)

Objective: Until today there exist different approaches to classify anxiety symptoms and syndromes in depressive disorders. For decades "classical" psychiatry has seen anxiety symptoms as belonging to depressive syndromes (without nosological independence). On the other hand, it has been postulated that the combination of anxiety disorder plus depressive disorder may constitute an own entity, which has been named "cothymia". DSM-IV and ICD-10 are somewhere in the middle: According to their comorbidity principle, they diagnose anxiety disorders and depressive disorders separately and purely descriptively, without paying any attention to their mutual relation. This study tested diagnostic and prognostic aspects supporting such views. Methods: In a cohort of 117 in-patients with unipolar depression, comorbid anxiety disorders were assessed according to DSM-IV. Patients were followed-up during the present depressive episode. Anxiety, depresssion, global functioning and affectivity were rated prospectively. Illness history was documented both with the help of a standardized interview and by analyzing case notes. Cross sectional assessment included diagnoses according to DSM-IV, investigations of personality, quality of life and other psychological and psychopathological constructs, which are relevant for the understanding of anxiety disorders and depression. Furthermore, "clinical" and "research" diagnoses were compared. Results: 36 patients (30.8%) suffered from a comorbid anxiety disorder. There were no differences between depressive patients with and without comorbid anxiety disorder concerning short-term course of depressive symptoms, global functioning, duration of present treatment and types of treatment. There was a trend that depressive patients with anxiety disorders exhibited more substance abuse, they had more suicidal thoughts, more prior illness episodes and lower quality of life than depressive patients without anxiety disorders. Furthermore, these patients had more frequently earlier episodes with anxiety symptoms, although this was not a stable pattern. Patients with anxiety disorder and depression showed personality abnormalities with higher scores for neuroticism and avoidance. Clinically, anxiety disorder diagnoses were not made in the majority of the cases, which fulfilled criteria according to SCID-I. Conclusion: These results support neither the idea that anxiety symptoms are secondary consequences of depression, nor the concept of an own entity "cothymia". Rather they indicate that there exist individual predispositions to develop anxiety symptoms and syndromes, which lead to a quasi "cothymic course pattern", when depressive episodes occur additionally. This course pattern may go along with some negative prognostic aspects - such as more frequent substance abuse, more suicidal thoughts, lower quality of life and more illness episodes.

Keywords
Angststörung Depression Komorbidität Verlauf DSM-IV
Keywords (Englisch)
Anxiety disorder depressive disorder comorbidity course DSM-IV