Die Dissertation untersucht mit Hilfe einer komparativen Herangehensweise die Rolle von ethnischen Faktoren hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Identitätsbildung von sozialen Bewegungen und Individuen. Im Mittelpunkt steht die Frage, welche Rolle Ethnizität im Zuge der aktuellen, religiösen Pluralisierungsprozesse wie dem Anwachsen der protestantischen Pfingst- und neopfingstlichen Kirchen, der Katholischen Charismatischen Erneuerung und der indigenen Mayabewegung in Guatemala spielt. Zwei Entwicklungen stehen im Zentrum: die erste bezieht sich auf Ethnizität in Form von ethnischen Forderungen und steht als organisierter Ausdruck von Differenz. Religion, so lautet die These, wird im Diskurs der Mayabewegung "ethnisiert" und zu einem Bestandteil von Ethnizität, womit der religiöse Pluralisierungsprozess um einen neuen Akteur erweitert wird, der in Konkurrenz zu den christlichen Kirchen auftritt. Eine zweite Entwicklung beschreibt die stark expandierende katholische und protestantische Pfingstbewegung aus Sicht der indigenen Bevölkerung. Die im lateinamerikanischen Vergleich höchsten Konversionsraten werfen die Frage auf, ob in dieser Dynamik ethnische und kulturelle Faktoren eine Rolle spielen oder unbedeutend sind. Der Zusammenhang dieser Entwicklungen wird auf verschiedenen Ebenen u.a. anhand diskursanalytischer Auswertungen und der Berücksichtigung von Biographien einzelner Mitglieder überprüft. Die Ergebnisse zeigen auf der einen Seite, dass der institutionelle Diskurs einiger der untersuchten Bewegungen und ihrer Mitglieder in der Abgrenzung zu anderen Gruppen und Bewegungen verläuft, aber gerade über die mit Abgrenzung verbundenen Fremd- und Selbstzuschreibungen eine Verbindung besteht. So kommt es, dass religiöse und ethnische Diskurse sozialer Bewegungen nicht selten zu einer Verfestigung der ethnischen Antagonismen in Guatemala beitragen. Auf der anderen Seite wird deutlich, dass ethnische auf Abgrenzung bedachte Identitätspolitiken für die indigenen und katholischen Pfingstler keine Bedeutung besitzen, kulturelle Faktoren in der Gemeindeorganisation aber trotzdem zentral sind. Sie integrieren oft traditionelle Erfahrungen, die der Bewältigung des Alltags und existentieller Krisen dienen. So können trotz der ursprünglich ausländischen Herkunft der protestantischen und katholischen Pfingstbewegung traditionelle religiöse Praktiken und Weltanschauungen erhalten werden. Dazu trägt nicht zuletzt die Distanz dieser Gruppen zum nationalen Kontext bei, weil sie sich autonom von nicht-indigenen zivilgesellschaftlichen Gruppen etablieren konnten und so zu Nischen in einer von politischer Gewalt gekennzeichneten Gesellschaft wurden.
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