In der vorliegende Arbeit werden Artbildungsprozesse in der Gattung Hordeum L. und Ursachen für ihre unterschiedliche Geschwindigkeit in einzelnen monophyletischen Gruppen und verschiedenen Regionen des Verbreitungsgebietes der Gattung analysiert. Dazu wurde mittels Durchflusszytometrie die Genomgrößenevolution der Gattung Hordeum in einem phylogenetischen Rahmen analysiert (Kap. 3.1). Auf der Basis von mehr als 800 Sequenzen der trnL-trnF Region aller 31 Hordeum-Arten wurde die Chloroplastenvariation der gesamten Gattung untersucht (Kap. 3.2). Am Beispiel von H. marinum mit ihren beiden Unterarten wurden mit Hilfe von Chloroplasten-, ökologisch-klimatischen Daten und der heutigen Verbreitung potentielle Ursachen für die Entstehung neuer Taxa aufgedeckt (Kap. 3.3). Die Ergebnisse der Genomgrößenanalyse zeigten, dass, anders als in der Literatur postuliert, innerhalb naheverwandter Linien sowohl DNA-Gewinn als auch -Verlust auftreten kann. Die intraspezifischen Genomgrößenschwankungen (~ 3 %) erwiesen sich als sehr gering, während diskontinuierliche Genomgrößenänderungen dagegen oft mit (Unter-) Artgrenzen assoziiert waren. Die Entstehung neuer Arten ist meist mit einer reduzierten effektiven Populationsgröße verbunden, was die Fixierung neuer Genomgrößen erleichtert. Die Analyse der Chloroplastenvariation in der gesamten Gattung legt die Ursachen für die unterschiedlichen Speziationsraten in einzelnen monophyletischen Gruppen und verschiedenen Regionen des Verbreitungsgebietes der Gattung offen. In der Alten Welt sorgten weitreichende Extinktionen von Hordeum-Population, sehr wahrscheinlich während der Eiszeit, für die Stagnation der Artbildung und die heute beobachtete geringe Artenzahl. Die beobachteten Muster der Chloroplastenvariation in der Neuen Welt sind dagegen mit einer großen und ständig weiter gewachsenen effektiven Populationsgröße kompatibel. Hier wurde tatsächlich eine erhöhte Speziationsrate postuliert, deren Ursachen einerseits wiederholte Fernausbreitungsereignisse, andererseits aber auch ökologische Adaption innerhalb einzelnen Artengruppen ist. Die Ergebnisse der Chloroplastengenealogie verdeutlichen weiterhin, dass die Kenntnis der Chloroplastenvaribilität und -verteilung innerhalb der gesamten Gattung notwendig ist, um Fehlinterpretationen phylogeographischer Daten einzelner Arten zu vermeiden. Die phylogeographische Studie in H. marinum belegt, dass die beiden heute existenten Unterarten allopatrisch in unterschiedlichen Eiszeitrefugien entstanden. Die Chloroplastenvariabilität weist dabei auf sehr unterschiedliche Populationsgeschichten in Form verschieden starker bottlenecks und variabler Wiederausbreitungsgeschwindigkeiten für beide Unterarten hin. Die heutige sympatrische Verbreitung beider Unterarten wird als sekundärer Kontakt infolge der nacheiszeitlichen Wiederausbreitung gedeutet.
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