Transponierbare Elemente sind mobile DNA-Elemente und werden deshalb auch als "Jumping Genes" bezeichnet. Nahezu die Hälfte des humanen Genoms besteht aus transponierbaren Elementen. Von besonderer Bedeutung beim Menschen ist die Gruppe der L1-Retrotransposons, da sie die einzigen selbständig aktiven mobilen genetischen Elemente sind und etwa 17% des humanen Genoms ausmachen. Jedoch ist nur ein kleiner Teil der L1-Elemente vollständig und damit zu Retrotranspositionen in der Lage. Eine Aktivität (Mobilität) der L1-Elemente in der Evolution des Genoms kann konstruktiven Charakter haben, vermag aber auch die Stabilität des Genoms in erheblichem Maße zu beeinträchtigen. Auf genetischer Ebene können Transpositionen von L1-Elementen z.B. zu Rekombinationen, Deletionen, chromosomalen Inversionen sowie Insertionen führen. Deshalb muss die Aktivität von L1-Elementen strengen Regulationsmechanismen unterliegen, über deren Natur aber erst wenig bekannt ist. Von verschiedenen Spezies weiß man, dass mobile genetische Elemente im Rahmen von Adaptationsvorgängen aktiviert werden können. Die resultierenden genomischen Rearrangements bieten den Zellen eine stochastische Chance, sich ausufernden Stressfaktoren anzupassen. Diese Prozesse könnten auch bei der Karzinogenese von Bedeutung sein. Bemerkenswerterweise zeigen maligne Tumoren sowohl L1-Aktivität als auch massive genomische Alterationen. In der vorliegenden Arbeit wurden verschiedene Methoden zum Nachweis aktiver L1-Elemente etabliert und evaluiert. Dies geschah in vitro anhand von humanen Zelllinien (Tumorzelllinien und nicht transformierten Zelllinien) sowie in vivo an humanen Gewebeproben. Dabei erwiesen sich der Proteinnachweis des vom L1-Element kodierten Proteins p40 (ORF1-Protein) mit einem neu entwickelten polyklonalen Antiköper, sowie ein Zellkultur-basierter Retrotranspositionsassay als geeignete Verfahren. p40 wird von aktiven L1-Elementen exprimiert. Es konnte immunhistologisch in Keimzellen des Hodens, in den Keimzentren von Lymphfollikeln und in Präkanzerosen von Mamma und Prostata (DCIS und PIN) nachgewiesen werden. Mittels Western Blot wurde in vier Tumorzelllinien (OVCAR-3, MCF-7, SK-MEL-13, HT-29) eine p40-Expression detektiert. Es wurden drei nicht transformierte Zelllinien (HOSE, HaCaT, MCF-10A) untersucht. MCF-10A und HOSE zeigten keine Expression des ORF1-Proteins. Im Retrotranspositionsassay, mit dem vollständige Retrotranspositionen erfasst werden, war in sechs der sieben untersuchten Zellinien eine L1-Aktivität nachzuweisen. Die nicht transformierte Mamma-Epithel-Zelllinie MCF-10A zeigte weder eine ORF1-Protein-Expression noch eine Aktivität im Retrotranspositionsassay. In der vorliegenden Arbeit wurden zwei Methoden zur Detektion der Aktivität von L1-Retrotransposons etabliert. Es zeigte sich, dass sowohl in Tumorgewebe als auch in Tumorzellen L1-Elemente aktiv sind. Zur weiteren Untersuchung einer Rolle der L1-Retrotransposons für die Karzinogenese stellt MCF-10A eine geeignete Modellline dar.
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