Die Verfügbarkeit vollständig sequenzierter Genome von Modell- und Nutzpflanzen, sowie die große Anzahl expressed sequence tags (EST) führte in den letzten Jahren zur Entwicklung neuer methodischer Ansätze. Das Ziel der "Funktionellen Genomik" ist die Aufklärung der Funktion einer Vielzahl von Genen in globalen Transkript- und Proteinstudien, in denen u.a. mutagenisierte oder transgene Pflanzen untersucht werden. Die Expression von Genen und Proteinen kann aber auch als quantitatives Merkmal allelischer Diversität genutzt werden. Das Konzept der "Genetische Genomik" zielt auf die Lokalisierung eines bestimmten Gens im Genom hin, indem Expressionsuntersuchungen einzelner Individuen einer segregierenden Population mit der Analyse der Genomstruktur mittels molekularer Marker verknüpft werden. In dieser Dissertation wurden beide Methodiken für die Aufklärung der Proteinzusammensetzung reifer Samen und die Untersuchung von Salzstressmechanismen in Gerste verwendet. Gerste (Hordeum vulgare) ist eine wichtige Getreidepflanze, die für die Futtermittel- und Brauindustrie angebaut wird. Wegen dieser landwirtschaftlichen Bedeutung besteht ein hohes Interesse, die molekularen Faktoren für den Nährstoffgehalt und die abiotische Stresstoleranz des Gerstenkorns zu bestimmen. Reife Körner von Introgressionslinien, die aus der Kreuzung der Züchtungssorte "Brenda" mit der Linie HS213 einer Wildgerste (Hordeum spontaneum) entstanden sind, wurden mittels zweidimensionaler Gelelektrophorese auf den Gehalt und die Zusammensetzung der wasserlöslichen Proteinfraktion untersucht. In zwei unabhängigen Ernten wurden ungefähr 70 QTL für die Proteinexpression detektiert und massenspektrometrisch identifiziert. Obwohl nur eine begrenzte Anzahl an QTL in beiden biologischen Experimenten reproduziert werden konnten, weisen die Resultate auf eine hohe technische Reproduzierbarkeit der Gelelektrophorese hin. Im Vergleich zu anderen Getreidepflanzen zeichnet sich Gerste als besonders salztolerant aus, wobei unter der Vielzahl von Varietäten und Sorten eine hohe Variabilität gegenüber Salzstress besteht. Um die Faktoren auf molekularer Ebene zu ermitteln, die für Salztoleranz während der Keimung und in späteren Entwicklungsstadien eine Rolle spielen, wurden vergleichende Proteomanalysen von salztoleranten und salzsensitiven Akzessionen der Oregon Wolfe Barley und der Steptoe Morex Kartierungspopulation durchgeführt. In reifen Körnern und in Wurzeln konnten Proteine detektiert werden, die eine gegensätzliche Expression in toleranten und sensitiven Linien aufwiesen. In toleranten Akzessionen waren u.a. solche Proteine höher abundant, die eine Rolle in der Bildung von NADPH und in der Synthese von ABA-responsiven Proteinen haben. Um die Funktionalität der identifizierten Proteine zu testen, wurden Überexpressionsstudien mit konstitutiven und Endospermspezifischen Promotoren in der Gerstensorte "Golden Promise" initiiert.
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