Hauptrisikofaktoren für die Karzinomentstehung im oberen Aerodigestivtrakt sind neben der beruflichen Schadstoffexposition und individuell sozioökonomischen Faktoren der chronische Tabak- und Alkoholkonsum. Das gehäufte Auftreten von syn- oder metachronen Zweitkarzi- nomen bei Patienten mit Karzinomen im Kopf-Halsbereich wird mit dem Konzept der Feldkanzerisierung erklärt, das von einer Gesamtschädigung der Schleimhaut des oberen Aerodigestivtraktes durch o.g. Noxen ausgeht. Der Mikrokerntest ist ein in der Mutationsgenetik etabliertes Verfahren zur Evaluierung chromosomaler Schäden durch gentoxische Substanzen. An der gesunden Schleimhaut des oberen Aerodigestivtraktes wurden klastogene und aneugene Wirkungen von chemischen und physikalischen Noxen mit Hilfe des Mikrokerntests in Abhängigkeit vom Schadstoffeintrag nachgewiesen. Von 99 Probanden mit und ohne Alkohol- und Tabakexposition, sowie von 44 Patienten mit Plattenepithelkarzinomen im Kopf-Halsbereich und 16 Patienten mit präneoplastischen Veränderungen wurde von beiden Wangeninnenseiten zytologische Abstriche entnommen und die Mikrokernrate auf 1000 Schleimhautzellen seitengetrennt bestimmt. Nach statistischer Auswertung der durch einen standardisierten Fragebogen erhobenen Daten zur Genußmittel- und Schadstoffexposition sowie der lichtmikroskopisch bestimmten Mikrokernfrequenzen zeigte sich eine signifikante Erhöhung der Mikrokernrate im Mittel bei den Tumor- und Leukoplakiepatienten im Gegensatz zu den gesunden Probanden. Als wesentlichste Einflußgröße auf die Mikrokernfrequenz stellte sich der Tabakkonsum heraus. Hinsichtlich der Seitendifferenz konnten keine Unterschiede nachgewiesen werden, was die These einer Feldkanzerisierung unterstützt. Weiterhin erfolgte die Bestimmung des relativen Risikos für einen gesunden Probanden an einem Kopf-Hals-Karzinom zu erkranken. Der Mikrokerntest weist chromosomale Schäden der Schleimhaut des oberen Aerodigestiv-traktes zweifelsfrei nach und ist in Kombination mit weiterführenden quantitativen immuncytochemischen Untersuchungen zum Proliferationsstatus und zur Expression von Tumorsupressorgen- und Onkogenprodukten an gesunden Schleimhautzellen einsetzbar.
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