Alle Organismen, die hohen, aber nicht letalen Temperaturen ausgesetzt sind, reagieren mit der Expression einer bestimmten Gruppe von Proteinen, der sogenannten Hitzeschockproteine (HSP). Neben dem klassischen Hitzeschock führen auch eine Reihe anderer Streßsituationen (Schwermetallexposition) zur Expression einzelner oder mehrerer Hitzeschockproteine. Die kleinen, cytoplasmatischen Hitzeschockproteine sind eine besonders prominente Gruppe, deren Charakterisierung im Mittelpunkt dieser Arbeit stand. Das Genom der Wildtomate enthält mindestens sechs Gene, die für kleine, cytoplasmatische Hitzeschockproteine kodieren. Das Screening einer Expressions-cDNA Bank der Wildtomate ergab eine Reihe positiver Klone, von denen vier vollständig sequenziert wurden. Die abgeleiteten Proteinsequenzen zeigen, daß es sich um Vertreter der Klasse I der cytoplasmatischen Low Molecular Weight (LMW) Hitzeschockproteine mit isoelektrischen Punkten von 5,2 bis 6,3 handelt, die eine hohe Homologie zu Proteinen der gleichen Familie in anderen Pflanzen aufweisen. Eine der cDNAs (Klon 92) wurde für die Expression als GST- und His6-Fusionsprotein in Escherichia coli benutzt. Das rekombinante HSP17 zeigte in den verwendeten Blot-Overlay- und GST-Pull-Down-Assays keine spezifischen Wechselwirkungen mit Speicherglobulinen aus Tabak und Leguminosen beziehungsweise RNA, obwohl deren Kolokalisation in vivo gezeigt werden konnte. Die durchgeführten Chaperon-Assays sind ein Argument für eine Bindung an andere Proteine: das rekombinante HSP17 ist in der Lage, in vitro Citrat Synthase vor einer Aggregation und vor einer thermischen Inaktivierung zu schützen. Es ist aber allein nicht ausreichend, das chemisch denaturierte Enzym wieder korrekt zu falten. Nach einem Hitzeschock läßt sich HSP17 als Multimer aus 12 Untereinheiten mit einem Molekulargewicht von circa 200 kDa isolieren. In Tomatenzellen bilden sich nach Hitze- beziehungsweise Schwermetalleinwirkung große cytoplasmatische Komplexe, sogenannte Hitzeschockgranula, die zu einem großen Teil aus HSP17 bestehen. Obwohl äußerlich ähnlich, sind sie funktionell verschieden. Während die Granula im Falle eines Hitzeschockes mRNA speichern, konnte hier gezeigt werden, daß sie bei Schwermetallstreß keine RNA enthalten. Auffällig waren auch Unterschiede in der Recovery-Phase: in hitzegestreßten Zellen bilden sich rauhes ER und Golgiapparate in der Nähe der aufgelockerten Granula, während in schwermetallexponierten Zellen nur eine Auflösung der Granula zu beobachten ist. Hitzestreß hat dramatische Auswirkungen auf Struktur und Funktion des Nukleolus. Im Gegensatz dazu bewirken Schwermetalle keine strukturellen Veränderungen oder Auflockerungen des Nukleolus. Die Synthese der Haushaltsproteine ist bei Schwermetallexposition, im Unterschied zum Hitzeschock, kaum eingeschränkt. Trotz der strukturellen Homologie bestehen funktionelle Unterschiede zwischen den nach Hitze- beziehungsweise Schwermetallstreß gebildeten Hitzeschockgranula. Eine Speicherung von mRNA ist unter Schwermetallstreß ohne Bedeutung für die Zelle, unter Hitzeschock möglicherweise eine Notwendigkeit für ihr Überleben. Die unter Schwermetallstreß gebildeten Granula könnten dem Schutz und/oder der Rückfaltung denaturierter Proteine dienen. Das Vorkommen weiterer HSPs (zum Beispiel HSP70) und anderer bisher nicht identifizierter Proteine, die möglicherweise für eine korrekte Faltung denaturierter ‘Substrate’ notwendig sind, macht eine Funktion der Granula als Faltungsmaschinerie wahrscheinlich. Erste Untersuchungen zur Signaltransduktion in den beiden Streßsituation legen nahe, daß bei Hitzestreß ATPasen und Ionenkanäle (oder die durch ATPasen bewirkten Ionenflüsse) an der Übertragung des Signals Hitze beteiligt sind. Offenbar erfolgt die Rezeption des Signals an der Plasmamembran.
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