Im Folgenden wird die Festlegung eines Bezugssystems und der Rahmenbedingungen für die online Modellierung, Beobachtung und Optimierung von Bioprozessen dargestellt. Die Modellierungs- und Beobachtungsschemata beinhalteten eine auf hybriden Modellen basierende mathematische Formulierung des mikrobiellen Systems. Unter dem Begriff "hybride Modelle" versteht man die Zusammenstellung einer Reihe von nicht-linearen Differentialgleichungen und verschiedener "black-box" Modelle. Während die Kinetik bzw. die spezifischen Wachstums- und Produktionsraten mit Hilfe künstlicher neuronaler Netze oder neuro-fuzzy Ansätzen dargestellt wurden, beschrieben die Differentialgleichungen die Massenbilanzen des Bioreaktors. Unter batch bzw. fed-batch Bedingungen wurden 3 verschiedene Mikroorganismenstämme kultiviert; 2 davon waren rekombinante Escherichia coli-Stämme. Zur Validierung der Ergebnisse wurde ein rekombinanter Stamm der Hefe Kluyveromyces lactis eingesetzt. In der Arbeit werden die off-line Modellierung und Optimierung der Produktion des viralen Hüllproteinskomplex VP1-DHFR durch einen rekombinanten Escherichia coli BL21 Stamm präsentiert. Zur Optimierung der Prozessführung wurde eine evolutionäre Methodik genutzt: ein Modell wurde unter Verwendung des verfügbaren Wissens und vorhandener Datensätze aktualisiert; dieses aktualisierte Modell wurde zur Optimierung des Prozesses eingesetzt; dann erfolgte ein Kontrollexperiment, um die Richtigkeit der Modellannahmen zu bestätigen bzw. um Daten zur weiteren Verbesserung des Modells zu gewinnen. Die letzten Teile dieser Arbeit sind der online-Anwendung der verschiedenen Techniken zur Modellierung, Beobachtung und Optimierung gewidmet. Bei der Produktion der Protein VP1-DHFR wurde eine neuro-fuzzy Modellierung angewendet, die auf wechselnde Bedingungen reagieren kann, so dass im Vergleich zu klassischen Optimierungsansätzen, höhere Produktivitäten erzielt werden konnten. Probleme wie die langsame Konvergenz des Identifizierungsverfahrens, die beim off-line-Training künstlicher neuronaler Netze auftreten, werden durch das online Training von hybriden Modellen deutlich vermindert. Am Beispiel der Produktion des rekombinanten Proteinkomplexes GAL80/HIS-TAG durch die Hefe Kluyveromyces lactis, wurde ein soft-Sensor vorgestellt, der die Echtzeitschätzung und die Beobachtung von Profitfunktionen bzw. die Beurteilung der Leistung eines Prozesses erlaubte. Gezeigt wurde auch die inhärente Plastizität eines neuronalen Netzes, die die komplexe Kinetik eines Prozesses nur auf der Basis online gemessener prozesskorrelierter Variablen charakterisiert. Mit Hilfe hybrider Modelle kann das vorgestellte Bezugssystem selbst komplexe Prozesse in einer geringen Anzahl von Optimierungsschritten verbessern. Die Methodik kann dazu verwendet werden, schnell und kostengünstig, d. h. mit geringem experimentellen Aufwand, die optimale Führung bei der Prozessentwicklung zu erzielen oder laufende Produktionsprozesse zu optimieren.
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