Die Zahl der Krankheitsfälle, bei denen pathologische Veränderungen des Immunsystems, wie z.B. Allergien oder Autoimmunerkrankungen diagnostiziert werden, steigt stetig an. Ein weiterer Aspekt stellt die graft versus host-Reaktion dar, bei der ein Empfänger-Organismus auf ein transplantiertes Organ mit einer heftigen und meist lebensbedrohlichen Abstoßungsreaktion reagiert. Aus diesem Grund ist es notwendig, diese Immunantwort zu modulieren und somit eine Suppression des Immunsystems zu erreichen. Seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts wird der Naturstoff Cyclosporin A (CsA) und später auch Tacrolimus (FK506) klinisch eingesetzt, um Transplantat-Abstoßungsreaktionen erfolgreich zu verhindern. Jedoch treten bei einer Langzeitmedikation zahlreiche schwere Nebenwirkungen auf. Deshalb wurden in den letzten Jahren intensive Anstrengungen unternommen, neue Leitstrukturen für Immunsuppressiva - insbesondere Calcineurin-Inhibitoren - zu definieren. Die Proteinphosphatase Calcineurin (CaN) stellt ein Schlüsselenzym der Immunantwort dar und wird durch CsA im Komplex mit der zytosolischen Peptidyl-Prolyl-cis/trans-Isomerase (PPIase) Cyclophilin gehemmt. In unserer Arbeitsgruppe wurden 2000 Verbindungen einer Substanz-Bank auf eine mögliche CaN-Inhibition untersucht. Dabei wurde der Naturstoff Gossypol als eine CaN-inhibierende Substanz identifiziert und wurde im Rahmen der Arbeit enzymkinetisch und zellbiochemisch charakterisiert. Obwohl für Gossypol zahlreiche Interaktionen mit anderen zellulären Proteinen nachgewiesen wurden, stellt diese Substanz eine neue Leitstruktur für die Entwicklung von monospezifischen CaN-Inhibitoren dar. Neben der Substanzbank standen unserer Arbeitsgruppe auch eine Vielzahl von Cyclosporin-Derivaten zur Verfügung. Nach Vorversuchen wurden die Substanzen CsA, [DAT-Sar]3CsA, [AD-Ser]8CsA und [Ac-MeBmt]1CsH ausgewählt und enzymkinetisch bzw. zellbiologisch untersucht. Dabei konnte gezeigt werden, daß [DAT-Sar]3CsA auch ohne die Mitwirkung eines Cyclophilins die Phosphatase-Aktivität von Calcineurin inhibieren kann. In diesem Zusammenhang wurde außerdem geprüft, inwieweit die verwendeten Substanzen die Aktivierung anderer Signalwege in humanen T-Lymphozyten beeinflussen können. Leider wird durch [DAT-Sar]3CsA auch die PPIase-Aktivität von Cyclophilin gehemmt, so daß in vivo noch immer keine klare Abgrenzung von CaN- und Cyclophilin-Effekten möglich ist. Zukünftige Arbeiten müssen klären, ob durch Modifizierung der [DAT-Sar]3CsA-Struktur neue Derivate geschaffen werden können, die gezielt nur die Proteinphosphatase CaN inhibieren können. Neben der großen klinischen Relevanz einer solchen Substanz zur nebenwirkungsarmen Medikation bei immunologischen Erkrankungen, existiert auch auf der Seite der Grundlagenforschung ein großes Interesse. Mit dieser Substanz wäre es möglich, die Involvierung von CaN in das komplizierte Signal-Netzwerk der Zelle schrittweise aufzuklären.
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