Antikörper und deren Fragmente sind bei Anwendungen in Diagnostik und Therapie die am häufigsten eingesetzten Bindemoleküle. Dennoch weisen sie zum Teil einige erhebliche Nachteile in Bezug auf ihre Herstellung oder ihre Stabilität auf. Durch die Generierung alternativer Bindemoleküle sollen diese Nachteile vermieden werden. Die Anforderungen an ein alternatives Bindemolekül sind damit eine hohe Stabilität, gute Löslichkeit, eine kostengünstige Herstellung sowie einfache genetische oder chemische Fusion mit Markermolekülen, verbunden mit einer hohen Affinität und Spezifität gegen relevante Zielmoleküle. Auf der Grundlage des γ-Kristallins als Gerüstprotein wurden Phage Display Bibliotheken erstellt, in denen acht lösungsmittel-exponierte Aminosäuren in einem β-Faltblatt auf genetischer Ebene zufällig substituiert waren. In der vorliegenden Arbeit wurden diese Bibliotheken auf geeignete Varianten des γ-Kristallins, so genannte AffilinTM-Moleküle, in Bezug auf ihre Bindeeigenschaften gegen verschiedene Zielmoleküle durchsucht. Eine Durchmusterung der humanen γ-Kristallin Bibliothek CR20 auf Bindemoleküle gegen IgG-Fc führte zur Isolierung von spezifisch bindenden AffilinTM-Moleküle mit Dissoziationskonstanten für IgG-Fc im Bereich von 10-7 M. Drei der IgG-Fc bindenden Varianten wurden biophysikalisch näher charakterisiert. Die Varianten zeigten, im Vergleich zu anderen alternativen Bindemolekülen, moderate Stabilitäten gegenüber GdmHCl und Temperatur. Eine außerordentlich hohe Stabilität zeigten alle untersuchten AffilinTM-Moleküle gegenüber extremen pH Werten. Beispielhaft wurde eine AffilinTM-Moleküle auf die Stabilität in Serum untersucht. Das Protein war für mehr als 6 h zu 100 % in Serum nachweisbar. Die Raumstrukturen des humanen γ-Kristallins und einer IgG-Fc bindenden Variante konnten mittels Röntgenkristall-strukturanalyse mit Auflösungen bis 1.7 bzw. 2.0 Å bestimmt werden. Dadurch wurde die Annahme bestätigt, dass die zufällige Substitution von acht Positionen die β -Faltblattstruktur der Domäne und damit das greek key Faltungsmotiv nicht zerstört. AffilinTM-Moleküle ließen sich sowohl genetisch als auch chemisch mit Markermolekülen ohne Verlust der Bindungsaffinität fusionieren. Durch die Einführung eines C-terminalen linkers mit einem endständigen Cystein war es möglich, einfach und effizient ein AffilinTM-Molekül mehrfach an Phycoerythrin zu koppeln. Bei der anschließenden Analyse des Komplexes konnte eine Dissoziationskonstante von 15 nM gegenüber IgG-Fc und damit ein Aviditätseffekt nachgewiesen werden. Es konnte gezeigt werden, dass die isolierten AffilinTM-Moleküle die Anforderungen an ein alternatives Bindemolekül für einen Einsatz in der Chromatographie und Diagnostik erfüllen.
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