Diese Arbeit untersucht den kardialen Transport, die Rezeptor-Bindungskinetik und den positiv-inotropen Effekt von Digoxin in normalen, hypertrophierten und septischen Rattenherzen unter Anwendung eines mathematischen Modells. Die Methode der Pharmakokinetik/Pharmakodynamik-Modellierung liefert Informationen über den Mechanismus der Arzneimittelwirkung, die mit Hilfe von Steady-state-Experimenten nicht gewonnen werden können. Diese Methode der nicht-destruktiven Messungen des Membrantransports und der Rezeptor-Bindungskinetik am intakten Herzen liefert erstmalig eine integrierte Beschreibung der kardialen Kinetik und Dynamik von Herzglykosiden. Es ist möglich, dass die Ergebnisse der Arbeit offene Fragen bezüglich der funktionellen Rolle der Na+,K+-ATPase- Isoformen, die gegenwärtig noch kontrovers diskutiert werden, erklären können. Passiver transkapillärer Transport, gefolgt von der Bindung an zwei verschiedene sarkolemmale Rezeptorpopulationen, bestimmt die kardiale Kinetik und, in Übereinstimmung mit der Pumpenhemmungs-Hypothese, auch den inotropen Effekt von Digoxin. Der Zeitverlauf des inotropen Effektes war der funktionellen Rezeptor-Besetzung (Stimulus) proportional, d.h. die konsekutive Hemmung der α2- und dann der α1-Isoformen der Na+,K+-ATPase vermittelt den positiv-inotropen Effekt von Digoxin bei Dosissteigerung. Die Digoxin-Empfindlichkeit wird mit abnehmender externer Kalzium-Konzentration in Folge einer gesteigerten Stimulusverstärkung erhöht. Eine Hemmung des Na/Ca-Austauschers durch KB-R7943 verminderte den Digoxin induzierten positiv-inotropen Effekt besonders bei höheren Dosen (30 und 45 µg) (wahrscheinlich in Folge einer Hemmung des Kalzium-Einstroms) und führte zu einer gesättigten und verzögerten Rezeptorbesetzungs-Effekt-Beziehung. Die Ergebnisse liefern weitere Hinweise für eine funktionelle Heterogenität der Na+,K+-ATPase und lassen vermuten, dass die durch KB-R7943 vermittelte Reduktion des Kalzium-Einstroms über den Na/Ca-Austauscher (reverse mode) der begrenzende Faktor in der Erzeugung des Digoxin-Effektes ist. Ein weiteres Ziel der Arbeit war die Klärung der komplexen experimentellen Resultate über die veränderten inotropen Effekte von Herzglykosiden in hypertrophierten Herzen. Die Ergebnisse zeigen, dass eine Isoprenalin-induzierte Herzhypertrophie die Erzeugung des inotropen Effektes von Digoxin pro gehemmter Na-Pumpe reduziert. Die Dichte der α2-Rezeptoren war signifikant reduziert und die ihre Digoxin-Bindungsaffinität erhöht (in Folge eine Abnahme der Dissoziationsgeschwindigkeitskonstanten beider Rezeptortypen. Die inotrope Wirkung von Digoxin wurde auf zellulärem Niveau (Stimulus-Effekt-Beziehung) vermindet. Unter dem Einfluss von KB-R7943 wurde die Effektentwicklung bei höheren Digoxin-Dosen auf die gleiche begrenzende Stimulus-Effekt-Beziehung in beiden Gruppen reduziert. In durch Lipopolysaccharid (Endotoxin) induzierter Sepsis wurde die kardiale Kontraktilität und der inotrope Effekt von Digoxin vermindert. Die Abnahme des Stimulus-Effekt-Kopplungsfaktors und die Erhöhung der Rezeptoraffinität waren signifikant mit dem Ansteigen der Körpertemperatur (Fieber) korreliert. Die Anwendung des mathematischen Modells in Kombination mit spezifisch geplanten Experimenten erlaubt eine quantitatives Verstehen der Konsequenzen einer abnehmenden Kalzium-Konzentration und einer Hemmung des Na/Ca-Austauschers auf den inotropen Effekt von Digoxin im normalen und erkrankten Rattenherzen. Die Methode gestattet eine Differenzierung zwischen den Effekten auf dem Rezeptor- und Postrezeptor-Niveau und liefert Parameter, die die funktionelle Heterogenität der Na+,K+-ATPase charakterisieren. Das Modell erlaubt außerdem erstmalig eine Erklärung der Effekte der kardialen Hypertrophy und Sepsis auf die Digoxin-Wirkung. Die Ergebnisse tragen zu einem besseren Verständnis der kardialen Pharmakokinetik und Pharmakodynamik von Digoxin in normalen und krankhaft veränderten Herzen bei.
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