Der maligne testikuläre Keimzelltumor (TKZT) ist die häufigste Tumorerkrankung junger Männer im Alter zwischen 15 und 35 Jahren. Durch die auf Cisplatin basierende Chemotherapie werden etwa 80% der Patienten mit fortgeschrittenem, metastasiertem TKZT geheilt. In etwa 20% der Fälle, vor allem bei nichtseminomatösen TKZT, kommt es zur Entwicklung einer Cisplatin-Resistenz, welches mit einer schlechten Prognose assoziiert ist. Ziel dieser Arbeit war es, durch Untersuchungen auf zellulärer bzw. molekularer Ebene zur Aufklärung der Ursachen einer Cisplatin-Resistenz beim TKZT beizutragen. Es wurden vergleichende Analysen an nichtseminomatösen TKZT-Zelllinien und abgeleiteten Nacktmaus-Tumor-Xenograften mit unterschiedlicher Cisplatin-Sensitivität durchgeführt. Es konnte zunächst gezeigt werden, dass eine Cisplatin-Behandlung in equitoxischer Dosis sowohl in sensitiven als auch in resistenten TKZT-Zellen den apoptotischen Zelltod auslöst. Die Behandlung mit einer niedrigen, klinisch relevanten Cisplatindosis, welche in den sensitiven TKZT-Zellen zur Apoptose-Induktion führte, wurde jedoch von den resistenten TKZT-Zellen toleriert. Die Cisplatin-Resistenz der resistenten TKZT-Zellen ist daher durch eine verminderte Induktion der Apoptose begründet. Die Assoziation von Apoptose-Induktion und Cisplatin-Sensitivität bzw. Tumor-Regression konnte im Nacktmaus-Tumormodell in vivo unter klinisch relevanten Bedingungen bestätigt werden. Die Analyse relevanter Parameter wie DNA-Cisplatin-Adduktbildung, Zellzyklusarretierung, Expression von p53 sowie von Proteinen der Bcl2-Familie und Proteinen des Mismatch repair pathways ergaben keine Unterschiede bezüglich der differentiellen Induzierbarkeit der Apoptose und Cisplatin-Sensitivität. Die Untersuchungen zur Aktivierung der Caspasen zeigten, dass die Cisplatin-induzierte Apoptose in sensitiven TKZT-Zellen über den intrinsischen Caspase-9/Apoptosom-assoziierten Pathway, und nicht über den extrinsischen, Caspase-8/DISC-assoziierten Pathway initiiert wird. In den resistenten TKZT-Zellen wurden eine fehlende Caspase-9-Aktivierung sowie verminderte Aktivitäten der Caspasen -2 und -3 beobachtet. Eine Inhibierung der Caspase-9-Aktivierung in sensitiven TKZT-Zellen führte zu einer ähnlich differenziellen Caspasen-Aktivierung wie in den primär resistenten TKZT-Zellen und zur Etablierung einer Cisplatin-Resistenz. Die ungehinderte Aktivierung der Caspase-9 vermittelt daher die Cisplatin-Sensitivität in TKZT-Zellen. Die Analysen zur Rolle des embryonalen Transkriptionsfaktors Oct-3/4 zeigten, dass embryonale Karzinomzellen (EC-Zellen), die putativen Tumorstammzellen des nichtseminomatösen TKZT, durch die Oct-3/4-Expression in ihrem undifferenzierten embryonalen, Cisplatin-sensitiven Zustand gehalten werden. Durch einen frühen Differenzierungsschritt, welcher den vollständigen Verlust von Oct-3/4 voraussetzt, kommt es zur Etablierung der Cisplatin-Resistenz in EC-Zellen. Diese Veränderung war wiederum mit einer fehlenden Caspase-9-Aktivierung assoziiert. Es konnte gezeigt werden, dass die Assoziation zwischen dem Verlust der Oct-3/4-Expression, der veränderten Regulation der Caspasen-Aktivierung und der Etablierung der Cisplatin-Resistenz einen funktionalen und induzierbaren Prozess in EC-Zellen darstellt. In Verbindung mit den in vivo Untersuchungen der Tumor-Xenografte führten diese Analysen darüber hinaus zur Identifizierung und Charakterisierung eines noch unbeschriebenen Zelltyps - den Cisplatin-resistenten Oct-3/4-negativen EC-Zellen - die vermutlich auch für das Wachstum metastasierter, Chemotherapie-resistenter nichtseminomatöser TKZT in Patienten eine Schlüsselrolle spielen.
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